A-shé Tashi Pema Khandro (A shes bKra shis pad ma mKha’ ’gro) war eine der beiden Sang-yums von Aro Yeshé. (Sie war die ältere Schwester von A-yé Khandro – Aro Yeshé’s zweiter Sangyum. Es passierte in Tibet nicht selten, dass mehrere Schwestern den selben Mann heirateten, oder mehrere Brüder die gleiche Frau – obwohl dies eher typisch für die bäuerliche Gesellschaftsschicht war.)
A-shé Khandro trägt in dieser Zeichnung eine mit Leopardenfell gefütterte Chuba. Futter aus Leopardenfell wurde häufig von Banditen in Kham und Golok verwendet, aber es ist auch eines der Symbole einer Dakini. Sie trägt ihre Chuba im typischen Stil von Kham, mit einem Ärmel entfernt und am Rücken in ihren Gürtel geschlungen. Sie sitzt auf einem Tigerfell, als Zeichen für ihre Meisterschaft als Yogini, und sie trägt ihr Haar offen im Stile des Phodka Ling-ngé (phod ka ling nge – frei hängende Haartracht) welche typisch für alle Yoginis des Aro Gar war. Sie trägt Muschelohrringe und am Hals trägt sie einen gZi Stein als Symbol für ‘die vergiftete Blitzschlinge des Za Rahula’, durch welche man an seine Gelübde gebunden wird. Sie trägt den Gomthag einer Naljorma und sie hält den da’dar (mDa’ dar – Langlebenspfeil) in ihrer linken Hand. Am da’dar ist ein mélong – befestigt, der Weisheitsspiegel welcher als das primäre Symbol von Aro Lingma gilt. Ihre rechte Hand ruht auf ihrem Knie im Dzogchen Mudra namens ‘Der Geist ruht in natürlicher Annehmlichkeit und Leichtigkeit’.
A-shé Khandro empfand eine außergewöhnliche Zuneigung zu Tieren – und als Folge davon waren viele wilde Tiere der Gegend ungewöhnlich zahm. A-shé Khandro setzte durch, dass in dem Gebiet nicht gejagt wurde. (Wenn im Gar Wild gegessen wurde, so stammte es von Gegenden außerhalb der Aro - Tales.) A-shé Khandro konnte Adler in der Luft mit ihrer Stimme rufen, worauf diese im Sturzflug zu ihr herunter kamen. Beide Mädchen wurden als Dakinis betrachtet, und daher wurden alle ihre Tätigkeiten als inspirierend wahrgenommen. Was immer sie taten wurde toleriert, ganz egal wie seltsam ihr Verhalten auch war; und mitunter war es sehr seltsam. Häufig lachten sie ohne jeden ersichtlichen Grund. Aro Yeshé gab die Übertragung des Aro gTér an A-yé Khandro und A-shé Khandro – und später an jene Yoginis die seine fünf Adoptivmütter waren; danach unterrichtete er nie wieder. Ab diesem Zeitpunkt erfolgten alle Übertragungen und Belehrungen durch A-shé Khandro und A-yé Khandro. Aro Yeshé manifestierte geheime Aktivität als Khandropa – wohingegen A-yé Khandro und A-shé Khandro die Belehrungen in ihrer äußeren Form als mächtige Pamos offenbarten.