Dieses Foto zeigt eine wundervolle Szene des familiären Stils der Praxis, die innerhalb der Nyingma Tradition des tibetischen Buddhismus vorherrschend ist. Hier praktizieren drei Yogis, die die Haare im Togden (rTogs lDan) Stil tragen, ein liturgisches Ritual zusammen mit zwei Kindern (weit rechts). In yogischen Zeltlagern war es für die Kinder normal, während der Praxis zwischen den Praktizierenden zu spielen. Das Spiel der Kinder wurde nie als eine Unterbrechung oder Ablenkung von der Praxis gesehen, weil entsprechend der Dzogchen-Sicht alle Formen der Ablenkung als im Geist des Praktizierenden stattfindend gesehen werden. Der Lama in der Mitte des Fotos hat ein Takdröl in seine verfilzten Togden Haarsträhnen gewickelt und deshalb scheint er der führende Lama zu sein. Er spielt auch Drilbu und Damaru, die traditionell vom vorsitzenden Lama gespielt werden. Diese Nyingma Lamas der Gö-kar chang-lo’i dé (Gos dKar lCang lo’ i sDe) sind Teil einer nomadischen Gemeinschaft und wurden hier in einem großen Nomadenzelt, Gar (sGar), fotografiert. Auf dem Tisch weit links auf dem Bild sind gTormas und andere Opfergaben aufgestellt, die zu dem durchgeführten Ritual gehören.
Ngak’chang Rinpoche sagt über Familienpraxis:
Obwohl es monastische
Richtungen gibt, werden viele Praktizierende der Nyingma Tradition zu einem Familienleben
ermutigt. Viele der größten Lamas der Nyingma Tradition sind Familienmenschen
gewesen. Im 20. Jahrhundert war Seine Heiligkeit Düd’jom Rinpoche ein Familienvater
– ebenso, wie er der am höchsten geachtete Lama der Nyingma Tradition war. Tharchin
Rinpoche, ein Schüler sowohl von Düd’jom Rinpoche als auch von seinem Sohn
Dung-sé Thrin-lé Norbu Rinpoche, ist bekannt für seine Kinderliebe und
organisiert besondere Retreats, bei denen Kinder besonders willkommen sind. Die Anwesenheit von
Kindern auf seinen Retreats wird nie als Problem gesehen und sein eigener Sohn sitzt oft bei
ihm, wenn er unterrichtet. Tharchin Rinpoche ist ein beliebter und hoch geachteter Lama der
Nyingma Tradition und Linienhalter der Repkong Ngakpa Tradition, die seit Jahrhunderten im
Familienleben eine natürliche Entsprechung zu den höchsten spirituellen Yogas sieht.
Tharchin Rinpoche erzählte mir einmal, daß er sich daran erinnere, wie sein Vater
aufrecht im Bett sitzend Pho-wa praktiziert, was er als Kind immer mit kalter Luft assoziierte,
wegen der Lücke zwischen den Laken, die die yogische Haltung seines Vaters verursachte.
Geschichten wie diese demonstrieren die Natürlichkeit, mit der Praxis auf höchstem
Niveau mit einem normalen Familienleben integriert wurde. Tharchin Rinpoche beschreibt seinen
Vater als einen außergewöhnlichen Siddha, der enorme Heilkräfte besaß und
es ist offensichtlich, dass er einer fürsorglichen Isolierung durch eine institutionelle
Umgebung nicht bedurfte, um seine Siddhis zu manifestieren.