Dieses Thangka wurde in jüngerer Zeit von Kumar Lama gemalt, einem vollendeten Thangka-Maler, der zeitweise in Pema Ösel Ling wohnt, dem Retreatland von Lama Tharchin Rinpoche.
Drukpa Künlegs war ein berühmter Meister der verrückten Weisheit aus der Kagyüd-Nyingma-Linie. Obwohl er oft als Kagyüd Meister (bKa’brGyud) beschrieben wird, verwenden die Texte, die sich auf ihn beziehen, häufig die Schreibweise dKar brGyüd – was tatsächlich ‚Weiße Linie‘ heißt und als Bezeichnung für Gö-kar-chang-lo’i-dé verwendet wird. (bKa’brGyud und dKar brGyud sind gleichlautende Worte in der Tibetischen Sprache.)
Von den Drukpas – den Drachen Kagyüds wird gesagt: ‚Die Hälfte der Drukpas waren nicht-monastisch, die Hälfte der Nichtmonastischen waren Weisheits-Exzentriker, die Hälfte der Weisheits-Exzentriker waren erleuchtete Meister.‘ Drukpa Künlegs (Chos rJe ’brugs pa Kun dGa legs pa, 1455-1570) war eine Inkarnation des Mahasiddhas Saraha (8.-9. Jahrhundert) und er zeigt die Tatsächlichkeit dieser Linie, indem er Pfeil und Bogen und einen Köcher mit sich trägt. In diesem Thangka wird er begleitet von seinem Jagdhund und einer seiner zahlreichen weiblichen Schülerinnen, die dadurch Verwirklichung erlangten, indem sie mit ihm Karma-Mudra vollendeten.
Über Drukpa Künlegs ist von Keith Dowman (Ngakpa Künzang Ten’dzin) unter dem Titel ‘The Divine Madman – the sublime life and songs of Drukpa Kunley’ ein exzellentes Buch verfügbar. Dieses erhebend übersetzte Buch gibt wundervolle Einblicke in das Leben eines Ngak’phang Lamas vom Stil der Weisheits-Exzentriker. In seiner Einführung sagt Keith Dowman: ‘…die einzigartigen Zutaten dieser Hagiographie, eine positive Einstellung gegenüber Sex, eine Antipathie gegen organisierte Religion und Priestertum und der anarchische Lebensstil eines wandernden Mystikers, erweisen sich als ideales Mittel, um die tibetisch-buddhistische Tradition zu jenen zu tragen, die nie eine formale Darlegung der Lehren lesen würden.’
Der Gö-kar-chang-lo’i-dé zeichnet sich durch ein größeres Einfühlungsvermögen gegenüber der Laien-Bevölkerung aus. Durch ihr Familienleben und den nicht-institutionalisierten Rahmen, indem sie praktizierten, waren sie von der Laienbevölkerung nicht getrennt. Daher hat die Annahme, dass der Gö-kar-chang-lo’i-dé eher ‘Laien-Tantrikas’ als ordinierte Vajrayana-Praktizierende seien, häufig zu Verwirrung geführt. Niemand der Vajrayana praktiziert, kann als Laie bezeichnet werden. Drukpa Künlegs zeigt seinen ordinierten Status hier dadurch, dass er eine Weste trägt, wie sie nur von einem ordinierten Sangha-Mitglied getragen wird.
Khandro
Déchen kommentiert:
Drukpa Künlegs ist eine wichtige Figur in der
Übertragung der Mahasiddha-Tradition in Tibet. Meister dieses Typs haben sich überall in
der Geschichte Tibets manifestiert – bis zum heutigen Tag. Chögyam Trungpa Rinpoche war
ein
solcher Meister ebenso wie Kyabjé Künzang Dorje Rinpoche. Es ist eben diese lebendige
und pulsierende Tradition der Realisation, welche die Verknöcherung des Dharma zu einem
kodifizierten Dogma oder zu engstirniger scholastischer Starrheit verhindert.